1
Ich stand auf der Bühne, dass Mikrophonkabel fest um meine rechte Hand
geschlungen. Brüllte gerade einen unsere Hits „infiltrate the system“ durch die
Boxen ins vor mir pogende Publikum und dachte eigentlich nicht viel.
Wahrscheinlich hatte ich denselben Gesichtsausdruck noch immer, als der Typ
auf die, auch von meinen vier Bandkollegen bevölkerte, Bühne stürzte und sich
sogleich an meinem Kopf zu schaffen machte; mit seinen Fäusten. Ich kann
mich nicht an viel mehr erinnern, außer dass ich ihm mit voller Wucht einen
rechten Haken ins Gesicht setzte und einen festen Schlag in die Magengrube.
Ich bemerkte sein Gebiss in der Nähe meines Halses, dachte wohl eine Sekunde
zu lange darüber nach, ob er mir Knutschfleck machen wollte, als er mir bereits
feste ins Ohr biss.
Ich schlug noch mal in die Magengegend. Er fiel um und riss mich fast mit sich
selbst zu Boden, hing er doch mit seinem Gesicht fest in meinem.
Blitzlichtgewitter in meinem Kopf. Irgendwie war ich über ihn gekommen, denn
als er lag, ließ ich das Kabel meines Mikrophones locker, schwang zweimal und
schlug ihm das Ding mitten auf den Kopf.
Da ich nicht in einer satanischen Heavymetalband spielte, waren die Zuschauer
und auch die besagten Bandkollegen perplex ob der Blut-und-Tränen-Show.
Stille.
2
Ein Arzt stand über mir, sagte, hantierte, ich solle mir wegen meiner Ohren
keine Sorgen machen, die Taubheit sei nur vorübergehend. Ich fasste mit meiner
linken Hand an beide Ohren und fühlte dicke Verbände; die Rechte war besetzt
von der Infusion und ließ sich nicht beugen.
Ich muss wohl einen sehr fragenden Ausdruck im Gesicht gehabt haben, denn
der Arzt wiederholte was er gesagt hatte. Dann schrieb er es auf und zeigte mir
den Zettel. Dass meine Taubheit nur vorübergehend sei, dass sie mit dem
Heilungsprozess verschwinden würde. Ich fragte ihn, was den passiert sei, und
er antwortete, dass er mir nichts weiter sagen dürfe, die Polizei warte schon.
Sprich: er zuckte mit den Achseln.
Ich starrte wieder auf den blonden Engel, nein, sie war dunkelbraun, ich fragte
den Arzt ob auch meine Augen gelitten hätten, stellte mir gleichzeitig die Frage,
was genau überhaupt mit meinen Ohren… die Ohren meiner Krankenschwester
waren sehr überzeugend, ich fragte sie, ob sie nicht…, doch sie sagte nein.
Der Arzt sagte nein. Verschwand. Die Schwester auch.
Obwohl ich mir eigentlich, im Nachhinein, gar nicht sicher bin, ob ich diesen
dämlichen Witz überhaupt zu diesem Zeitpunkt gedacht habe, oder ihn mir im
Moment der Niederschrift einfallen ließ.
Zwei Polizisten kamen herein, stellten nur ein paar routinemäßige Fragen, die
sie mir, nachdem sie merkten ich verstehe sie nicht, auf ein Blatt Papier
schrieben und mir gaben. Alles lief auf Notwehr heraus. Sie verschwanden.
3
In meinem Kopf jede Menge Lärm. Boxentürme standen links und rechts und
hinter mir, dröhnten, dass mir die Hosenschläge flatterten wie ein einsames Blatt
in einem einsamen Wintersturm. Doch die Geschwindigkeit täuschte, alles ging
in einer unerträglichen Langsamkeit vor sich wie in dem Video „new noise“ von
Refused, kurz bevor der letzte Ausbruch an Gitarrengewitter auf den Hörer
hereinbricht. Ich prügelte mit meinen blutigen Händen auf die Boxen ein, schrie
ihnen entgegen.
Ich erwachte und war vollständig ans Bett gefesselt. Beide Arme steckten in
Schlaufen, die irgendwo unters Bett liefen. Ich versuchte den Kopf zu heben,
doch ich war schwach und müde. Augenlider schwer wie Blei. Ich war so müde.
Kraftlos. Schlief wieder ein.
Der Arzt erklärte mir, wieder in dieser verzweifelt gestikulierenden Art und
Weise, dass die Träume von dem Trauma kämen, wegen der Ohren und so. Mit
den Händen ruderte er, als sei er Don Quichotte vor einer überdimensionalen
Windmühle. Ich solle mal einen Psychiater aufsuchen. Ich dachte laut darüber
nach, wo die Schwester sei. Er verstand die Frage. Ich hörte meine Stimme
nicht, nur dumpf in meinem Kopfe hallen, die Welt um mich schien sie dennoch
zu verstehen!
Hoffentlich hörte ich mich nicht an, wie ein leierndes Tonband, dass nach dem
300sten Bandsalat meiner 80er-Mix-Kassette meines besten Freundes einfach
„fuck you“ sagt und über den Jordan geht.
Der Arzt erklärte, sie habe sich versetzen lassen, da ich ihr permanent auf die
Brüste gestarrt habe, und mit seinen beiden Händen angedeutet, wurden sie noch
größer und schöner vor meinem geistigen Auge - aber draußen warte ja meine
Freundin. Also war dieser dumpfe Witz die Wirklichkeit gewesen, und ich
befand mich nicht in der Lage, in der Zeit zurückzureisen. Ich musste wohl
damit leben, ein Idiot zu sein.
Ob ich jetzt Handzeichen lernen müsse, wollte ich noch wissen, und mein Arzt
lächelte mich auf dem Weg zur Tür viel sagend an, gab meiner Freundin die
Klinke in die Hand.
Kaum fiel die Tür hinter ihr ins Schloss, stürzte sie sich auf mich, wie ein
ausgehungertes Tier, das den Fressnapf vor Augen hat, aber immer wieder
feststellt, dass es nur einen Fata Morgana ist. Ich konnte einfach nicht reagieren.
Seit ich sie in der Tür gesehen hatte, war ich am ganzen Körper gelähmt. Sie
bemerkte das, schaute mich betroffen an, erzählte viel von, ja, von was
eigentlich? Hatte man der blöden Kuh eigentlich nicht gesagt, dass ich
vorübergehend taub bin!?! Sie fasste mir an die Hand, schaute bewegt im
Zimmer umher, redete, streichelte mir durch die paar Haare, die unter dem
Verband hervorlugten, redete, schaute mir tief in die Augen, immer einige
Sekunden, wartete, dass ich etwas entgegnen würde, was ich nicht tat, redete
weiter.
Ich sagte, sehr laut, glaube ich, „Hallo Sandra, ich höre dich nicht!“. Sie schaute
mich extrem entgeistert an. Dann erhob sie sich rasch, als ob ein heiliger Geist
sie gerade abgewatscht hätte. Ich hörte es rattern. Klickediklickediklick.
Dann setzte sie sich mit einem noch mitleidigeren Gesichtsausdruck als ohnehin
schon. Sprach nichts mehr. Ich ließ sie sitzen, schloß die Augen und….
Oh nein, keine Zeit jetzt für mein Traumata.
Also öffnete ich die Augen wieder. Um mich herum waren alle versammelt. Ich
weiß nicht, wo die Zeit geblieben, ob überhaupt Zeit vergangen war. Ich hatte
jedenfalls den Eindruck, als hätte ich mich keinen Millimeter bewegt. Die
Fesseln waren allerdings entfernt worden. Vielleicht dachten die, da sie mir
soviel Beruhigungsmittel gegeben hatten, das nichts mehr blieb, als still zu
liegen.
Sandra stand jetzt umringt mit meinen Bandkollegen und Blumensträußen und
jeder Menge Genesungswünschen vor mir. Alle lächelten mich an. Ich konnte
mich immer noch nicht bewegen. Mir war, als ob mir die Luft jeden Moment
ausging.
Ich sprach auch nichts.
Es kam Bewegung in die Sache. Sandra schien die anderen zu instruieren, was
mit mir los sei und sie machten betroffene Gesichter. In meinem Kopf
schwirrten Sätze wie: „wird er je wieder gesund und kann singen“ „die Tour
können wir abblasen, die Aufnahmen auch“ „kommt, er ist taub, lassen wir ihn
in Ruhe“.
Scheiße, wäre ich Gitarrist, und mir fehlte eine Hand nach so einer Aktion, ich
würde…. Sie alle rausschmeißen.
4
Ein paar Tage später sitze ich auf meinem Schreibtischstuhl, schaue durch das
Fenster meiner Wohnung nach gegenüber. Das Fenster zum Hof. Nur ohne
Rollstuhl. Dafür zwitscherte ein Zaunkönig vorbei, doch ich höre ihn nicht.
Autos fahren vorbei, einmal sogar die Feuerwehr. Nichts. Ich schaue Fernsehen,
schaue nach Gehörlosensendungen, schaue mir dann diese an. Mit kindlicher
Freude nehme ich die neuesten Nachrichten auf, bin glücklich, dass es auf
DVD’s Untertitel zu jedem Film gibt.
Sandra kommt ab und zu vorbei, schreibt mir die „nötigsten“ Sachen in einem
ausführlichen Brief (saugen, Spülmaschine ausräumen, Termin für den
Schornsteinfeger, etc.), für den ich meist länger zu lesen brauche, als sie da ist.
Irgendwie bekomme ich den Eindruck, in meinem Junggesellendasein noch nie
einen Haushalt alleine geführt zu haben. Sehr fürsorglich.
Auch meine Konzentration hat wohl gelitten, ich muss immer wieder absetzen,
manchmal kurz die Augen schließen. Mein Gleichgewichtssinn ist wohl auch
gestört. Ich frage sie, was mit meiner Band sei. Sie antwortet, die anderen
würden auf mich warten. Ich solle doch einfach mal vorbeischauen.
Ha! Wer bin ich denn? Die sollen doch herkommen. Bin ich krank oder der Rest
der Band gehbehindert? Sandra konnte über diese Art Sarkasmus noch nie
lachen, aber das war mir scheißegal.
Sie besuchte mich daraufhin drei Tage nicht; und am dritten Tag machte ich
mich dann doch auf den Weg in den Proberaum.
5
Ich spürte die Musik schon unter meinen Füßen, in meinem Körper, bevor ich
auf 50 Schritte heran war. (MEHR EmPFINDUNGEN EINES GEHÖRLOSEN)
Ich trat durch die dicke Tür, spürte die Schwingungen immer noch, aber außer
einem dumpfen Wummern kam nichts in meinem Hirn an. Pelle, Nicki, Fuchs
und Vierer schauten mich erfreut an, als sie mich sahen, wir setzten uns erstmal.
Sie redeten einige Minuten auf mich ein, ich glaube, dass sie neue Songs hatten
und mir zeigen wollten; ob ich nicht singen könne? Ich unterbrach sie. Ich kann
nicht singen, ich höre ja nicht. aber ich würde es mal zum Spaß probieren.
Nicki zählte vier ein, die anderen Jungs bolzten los, dass die Schwarte krachte
und ich zog mein Pensum durch wie eh und je. Erhofft hatte ich mir schon, dass
die Ohren bei meiner Lieblingsbeschäftigung einfach wieder aufplatzen würden
und ich ein glücklicherer und zufriedenerer Mensch werden würde. Das ganze
ohne Psychologische Beratung.
Ich spürte die gewaltige Energie der treibenden Beats und das Wummern des
Basses, es zuckte mir in den Händen und Beinen. Alles fing an zu leben, zu
blühen. Ich war überzeugt davon, dass ich meine Töne traf und laut und deutlich
artikulierte.
Doch das Gegenteil traf ein, beziehungsweise war der Fall. Nicht nur, dass mir
total schwindelig wurde, ich fast die Hand vor Augen nicht mehr erkannte,
kleine Punkte vor meinem schwarzen Augen, hinter den Lidern, die Hände
fingen an zu zittern und der Schweiß meine eben noch furztrockenen Stirn
benässte wie Sturzbäche nach Taunächten im April; die Jungs hörten auf zu
spielen.
Erstarben wie das Band in einem Kassettenrekorder dessen Batterien leise
‚Adieu‘ sagen. Schauten mit großen Augen auf mich, redeten untereinander, bis
Pelle mir aufschrieb, dass ich mich anhören würde wie ein Taubstummer.
Vor so viel Intelligenz zog ich meinen Hut und die Türe laut hinter mir zu.
6
Es vergingen weiter die Tage an denen nicht viel gesprochen wurde (und nicht
viel gehört). Ich denke, dass mein Telefon oft klingelte, doch immer wenn ich
ran ging und sagte, dass ich taub sei, könnte ich schwören, dass niemand mehr
am anderen Ende war. Also ließ ich Sandra einen Spruch auf Band sagen und sie
hörte dann den Anrufbeantworter ab.
Außerdem machte ich mit ihr aus, dass ich mich einfach ab und zu hinlegen darf
und sie mir nur zuhört, dass ich einfach rede, wie es halt aus dem Mund kommt,
dass sie zu mir halten würde - nicht wie meine Bandkollegen.
Sie nahm sich einige Zettel, schrieb immer wieder etwas auf, um zu antworten,
lächelte, wenn ich zu ihr aufschaute. Dann erzählte sie mir, dass Vierer schon
mehrere Male angerufen hätte, dass sie nichts mehr von mir hörten, und ich
dachte nur wieder, ihr Scheißer, ich höre euch auch nicht!
Und sie riet mir, mich endlich zurückzumelden. Ich hätte doch so viel in diese
Band investiert.
Regelmäßig ging ich zum Arzt und der empfahl mir immer noch einen
Psychiater, und ich fragte ihn, was ich da solle, er könne mir ja doch nichts
sagen. Da könne ich auch gleich mit der Luft in meinem Küchenschrank
sprechen – oder mit meiner Freundin. Ich grinste ihn an. Er grinste zurück.
Klopfte mir wohlwollend auf die Schulter. Schickte mich nach hause.
Ich kam mir so verarscht vor.
Die Gespräche zuhause empfand ich als sehr hilfreich. Es war zwar sehr schade,
dass ich nie hörte das sie lacht, wenn ich einen Witz machte, oder wenn sie
weinte…. Ich weiß es nicht, ich wollte es auch nicht sehen. Einfach nur reden.
Ich schloss die Augen, genoss die für mich eigentlich eher ungewöhnliche Stille
- denn früher lief immer Musik, oder, wenn Stille war, hatte ich eine Melodie im
Kopf, oder meine Klampfe in der Hand, der Kühlschrank fing alle Stunde an zu
Brummen oder es ist einfach die Spülmaschine in der Küche gelaufen.
Sandra war toll, sie hatte zwei offene Ohren für mein ab und an schwerkrankes
Künstlerherz, daß sich mit engstirnigen Musikern in einer kleinen Band
tummelte. Ich zählte auf, dass es noch mehr gab als das übliche 08/15
Geschrubbe. Ich übersetzte Texte, damit sie mal ne Ahnung von der Message
kriegten. Doch es half nicht unseren eigenen Stil zu finden. Wir zofften uns ganz
ordentlich, wobei sich herausstellte, dass es drei Bandleader in unserer Combo
gab, und keinen, der wirklich etwas tun wollte, wenigstens für die Attitüde.
7
Kurz bevor sich wieder ein buntes Stelldichein in meinem Kopf einstellte,
machte ich die Augen auf. War ich etwa eingeschlafen? Nein, ich hatte doch
gerade über Ideal und Attitüde philosophiert? Aber Sandra war nicht da, um mir
das zu bestätigen. Nur heiße Luft, und mir kam es vor, als könne ich noch die
schwerwiegenden Erkenntnisse, die sich Luft gemacht hatten, von der Decke auf
den Boden schweben sehen.
Ich schaute ein zweites Mal im Zimmer umher. Dann entdeckte ich, was ich
suchte. Das Telefonkabel verlief in Richtung Toilette, folgte ihm, wollte an der
Türe lauschen, schüttelte den Kopf ob solch großer Dummheit und öffnete die
Tür.
Sandra saß auf dem Rand der Badewanne und sprach mit irgendwem. Ein wenig
betroffen sah sie schon aus, als sie mich sah. Ich hätte ja am liebsten einen
Wutausbruch bekommen, doch ich nahm einfach das Telefon, legte den Hörer
auf, öffnete die Haustüre, und schickte Sandra zum Teufel.
Dann saß ich wieder. Auf dem Schreibtischstuhl. Hatte Wut im Bauch. Keiner
erinnerte mich an Anrufe. Niemand der vorbeikam. Ich wühlte mich durch
Erinnerungen. Schweißgebadet wachte ich nachts auf. Mein Hausarzt war
meiner schon überdrüssig, da ich fast täglich einen neuen Verband brauchte. Der
Alte war ja durchnässt worden.
Ging auch mal am Proberaum vorbei. Sah durchs Fenster einen neuen Sänger.
Ich ärgerte mich nicht. Ich wollte musikalische Horizonterweiterung, ohne
Umbesetzung ging das nicht. War ich eben die Umbesetzung. Ich kündigte den
Proberaum beim Vermieter. Fristlos.
In einem älteren Fanzine fand ich noch aktuelle Tourneedaten von Madball.
Geil! Da geh ich hin, egal ob ich was höre oder nicht.
Ich fuhr also in die nächstgrößere Stadt, hoffte vielleicht ein paar alte Gesichter
oder meine Ex-Bandkollegen zu treffen. Ich wollte einfach nur in ein paar
mitleidige Fressen schauen. Reden ging ja nicht. Ich fand es sowieso immer zu
laut auf Konzerten, um zu reden. Die hätten einfach nur 10 Dezibel leiser
machen müssen, das wäre schon ausreichend. Ich stürzte mich in den Pogomob,
schwitzte nach den sechs Bier, die ich mir reingezogen hatte, ganz ordentlich,
und klatschte auf ähnlich nasse Körper. Die Welt um mich verlangsamte sich
wieder. Nass war es. Als würde es regnen ohne Regentropfen. Ein weißer Kerl
stand vor mir, hoch oben, hatte einen Prügel in der Hand. Ich sah mich entsetzt
um, schloß die Augen, um nochmals hinzusehen, es änderte sich nichts. Ein
blonder Engel trat hinzu, schmiegte sich ganz fest um ihn. Ich öffnete die Augen
wieder, stellte fest, ich hatte den Sänger in den Armen, schlug ihm ins Gesicht.
8
Plopp! Alles schwarz. Eisenbahnrattern, ein Knipsen, ein kleines Stechen im
Arm. Nicht schon wieder Drogen.
Ich öffnete die Augen. Eine mollige, freundlich lächelnde Schwester prüfte die
Infusion, sagte, dass alles in Ordnung sei, der Arzt käme gleich. Ich fühlte mit
der linken Hand nach meinen Ohren. Keine Verbände. Ein Blick auf den
Körper. Alle Glieder dran. Der Arzt kam herein. Er sagte, ich sei von der Bühne
gestürzt. Laut Aussagen meiner Freunde hätte ich mich wohl in mein Kabel
verheddert und niemand hätte mich rechtzeitig aufgefangen. Ich hätte eine
leichte Amnesie durch die Gehirnerschütterung, aber ich könne mich bald
wieder erinnern.
Ich fragte ihn, sicherheitshalber, ob irgendwer außer mir zu Schaden gekommen
sei. Er lächelte mich auf dem Weg nach draußen vielsagend an, gab meiner
Freundin die Klinke in die Hand.
1
Ich stand auf der Bühne, dass Mikrophonkabel fest um meine rechte Hand
geschlungen. Brüllte gerade einen unsere Hits „infiltrate the system“ durch die
Boxen ins vor mir pogende Publikum und dachte eigentlich nicht viel.
Wahrscheinlich hatte ich denselben Gesichtsausdruck noch immer, als der Typ
auf die, auch von meinen vier Bandkollegen bevölkerte, Bühne stürzte und sich
sogleich an meinem Kopf zu schaffen machte; mit seinen Fäusten. Ich kann
mich nicht an viel mehr erinnern, außer dass ich ihm mit voller Wucht einen
rechten Haken ins Gesicht setzte und einen festen Schlag in die Magengrube.
Ich bemerkte sein Gebiss in der Nähe meines Halses, dachte wohl eine Sekunde
zu lange darüber nach, ob er mir Knutschfleck machen wollte, als er mir bereits
feste ins Ohr biss.
Ich schlug noch mal in die Magengegend. Er fiel um und riss mich fast mit sich
selbst zu Boden, hing er doch mit seinem Gesicht fest in meinem.
Blitzlichtgewitter in meinem Kopf. Irgendwie war ich über ihn gekommen, denn
als er lag, ließ ich das Kabel meines Mikrophones locker, schwang zweimal und
schlug ihm das Ding mitten auf den Kopf.
Da ich nicht in einer satanischen Heavymetalband spielte, waren die Zuschauer
und auch die besagten Bandkollegen perplex ob der Blut-und-Tränen-Show.
Stille.
2
Ein Arzt stand über mir, sagte, hantierte, ich solle mir wegen meiner Ohren
keine Sorgen machen, die Taubheit sei nur vorübergehend. Ich fasste mit meiner
linken Hand an beide Ohren und fühlte dicke Verbände; die Rechte war besetzt
von der Infusion und ließ sich nicht beugen.
Ich muss wohl einen sehr fragenden Ausdruck im Gesicht gehabt haben, denn
der Arzt wiederholte was er gesagt hatte. Dann schrieb er es auf und zeigte mir
den Zettel. Dass meine Taubheit nur vorübergehend sei, dass sie mit dem
Heilungsprozess verschwinden würde. Ich fragte ihn, was den passiert sei, und
er antwortete, dass er mir nichts weiter sagen dürfe, die Polizei warte schon.
Sprich: er zuckte mit den Achseln.
Ich starrte wieder auf den blonden Engel, nein, sie war dunkelbraun, ich fragte
den Arzt ob auch meine Augen gelitten hätten, stellte mir gleichzeitig die Frage,
was genau überhaupt mit meinen Ohren… die Ohren meiner Krankenschwester
waren sehr überzeugend, ich fragte sie, ob sie nicht…, doch sie sagte nein.
Der Arzt sagte nein. Verschwand. Die Schwester auch.
Obwohl ich mir eigentlich, im Nachhinein, gar nicht sicher bin, ob ich diesen
dämlichen Witz überhaupt zu diesem Zeitpunkt gedacht habe, oder ihn mir im
Moment der Niederschrift einfallen ließ.
Zwei Polizisten kamen herein, stellten nur ein paar routinemäßige Fragen, die
sie mir, nachdem sie merkten ich verstehe sie nicht, auf ein Blatt Papier
schrieben und mir gaben. Alles lief auf Notwehr heraus. Sie verschwanden.
3
In meinem Kopf jede Menge Lärm. Boxentürme standen links und rechts und
hinter mir, dröhnten, dass mir die Hosenschläge flatterten wie ein einsames Blatt
in einem einsamen Wintersturm. Doch die Geschwindigkeit täuschte, alles ging
in einer unerträglichen Langsamkeit vor sich wie in dem Video „new noise“ von
Refused, kurz bevor der letzte Ausbruch an Gitarrengewitter auf den Hörer
hereinbricht. Ich prügelte mit meinen blutigen Händen auf die Boxen ein, schrie
ihnen entgegen.
Ich erwachte und war vollständig ans Bett gefesselt. Beide Arme steckten in
Schlaufen, die irgendwo unters Bett liefen. Ich versuchte den Kopf zu heben,
doch ich war schwach und müde. Augenlider schwer wie Blei. Ich war so müde.
Kraftlos. Schlief wieder ein.
Der Arzt erklärte mir, wieder in dieser verzweifelt gestikulierenden Art und
Weise, dass die Träume von dem Trauma kämen, wegen der Ohren und so. Mit
den Händen ruderte er, als sei er Don Quichotte vor einer überdimensionalen
Windmühle. Ich solle mal einen Psychiater aufsuchen. Ich dachte laut darüber
nach, wo die Schwester sei. Er verstand die Frage. Ich hörte meine Stimme
nicht, nur dumpf in meinem Kopfe hallen, die Welt um mich schien sie dennoch
zu verstehen!
Hoffentlich hörte ich mich nicht an, wie ein leierndes Tonband, dass nach dem
300sten Bandsalat meiner 80er-Mix-Kassette meines besten Freundes einfach
„fuck you“ sagt und über den Jordan geht.
Der Arzt erklärte, sie habe sich versetzen lassen, da ich ihr permanent auf die
Brüste gestarrt habe, und mit seinen beiden Händen angedeutet, wurden sie noch
größer und schöner vor meinem geistigen Auge - aber draußen warte ja meine
Freundin. Also war dieser dumpfe Witz die Wirklichkeit gewesen, und ich
befand mich nicht in der Lage, in der Zeit zurückzureisen. Ich musste wohl
damit leben, ein Idiot zu sein.
Ob ich jetzt Handzeichen lernen müsse, wollte ich noch wissen, und mein Arzt
lächelte mich auf dem Weg zur Tür viel sagend an, gab meiner Freundin die
Klinke in die Hand.
Kaum fiel die Tür hinter ihr ins Schloss, stürzte sie sich auf mich, wie ein
ausgehungertes Tier, das den Fressnapf vor Augen hat, aber immer wieder
feststellt, dass es nur einen Fata Morgana ist. Ich konnte einfach nicht reagieren.
Seit ich sie in der Tür gesehen hatte, war ich am ganzen Körper gelähmt. Sie
bemerkte das, schaute mich betroffen an, erzählte viel von, ja, von was
eigentlich? Hatte man der blöden Kuh eigentlich nicht gesagt, dass ich
vorübergehend taub bin!?! Sie fasste mir an die Hand, schaute bewegt im
Zimmer umher, redete, streichelte mir durch die paar Haare, die unter dem
Verband hervorlugten, redete, schaute mir tief in die Augen, immer einige
Sekunden, wartete, dass ich etwas entgegnen würde, was ich nicht tat, redete
weiter.
Ich sagte, sehr laut, glaube ich, „Hallo Sandra, ich höre dich nicht!“. Sie schaute
mich extrem entgeistert an. Dann erhob sie sich rasch, als ob ein heiliger Geist
sie gerade abgewatscht hätte. Ich hörte es rattern. Klickediklickediklick.
Dann setzte sie sich mit einem noch mitleidigeren Gesichtsausdruck als ohnehin
schon. Sprach nichts mehr. Ich ließ sie sitzen, schloß die Augen und….
Oh nein, keine Zeit jetzt für mein Traumata.
Also öffnete ich die Augen wieder. Um mich herum waren alle versammelt. Ich
weiß nicht, wo die Zeit geblieben, ob überhaupt Zeit vergangen war. Ich hatte
jedenfalls den Eindruck, als hätte ich mich keinen Millimeter bewegt. Die
Fesseln waren allerdings entfernt worden. Vielleicht dachten die, da sie mir
soviel Beruhigungsmittel gegeben hatten, das nichts mehr blieb, als still zu
liegen.
Sandra stand jetzt umringt mit meinen Bandkollegen und Blumensträußen und
jeder Menge Genesungswünschen vor mir. Alle lächelten mich an. Ich konnte
mich immer noch nicht bewegen. Mir war, als ob mir die Luft jeden Moment
ausging.
Ich sprach auch nichts.
Es kam Bewegung in die Sache. Sandra schien die anderen zu instruieren, was
mit mir los sei und sie machten betroffene Gesichter. In meinem Kopf
schwirrten Sätze wie: „wird er je wieder gesund und kann singen“ „die Tour
können wir abblasen, die Aufnahmen auch“ „kommt, er ist taub, lassen wir ihn
in Ruhe“.
Scheiße, wäre ich Gitarrist, und mir fehlte eine Hand nach so einer Aktion, ich
würde…. Sie alle rausschmeißen.
4
Ein paar Tage später sitze ich auf meinem Schreibtischstuhl, schaue durch das
Fenster meiner Wohnung nach gegenüber. Das Fenster zum Hof. Nur ohne
Rollstuhl. Dafür zwitscherte ein Zaunkönig vorbei, doch ich höre ihn nicht.
Autos fahren vorbei, einmal sogar die Feuerwehr. Nichts. Ich schaue Fernsehen,
schaue nach Gehörlosensendungen, schaue mir dann diese an. Mit kindlicher
Freude nehme ich die neuesten Nachrichten auf, bin glücklich, dass es auf
DVD’s Untertitel zu jedem Film gibt.
Sandra kommt ab und zu vorbei, schreibt mir die „nötigsten“ Sachen in einem
ausführlichen Brief (saugen, Spülmaschine ausräumen, Termin für den
Schornsteinfeger, etc.), für den ich meist länger zu lesen brauche, als sie da ist.
Irgendwie bekomme ich den Eindruck, in meinem Junggesellendasein noch nie
einen Haushalt alleine geführt zu haben. Sehr fürsorglich.
Auch meine Konzentration hat wohl gelitten, ich muss immer wieder absetzen,
manchmal kurz die Augen schließen. Mein Gleichgewichtssinn ist wohl auch
gestört. Ich frage sie, was mit meiner Band sei. Sie antwortet, die anderen
würden auf mich warten. Ich solle doch einfach mal vorbeischauen.
Ha! Wer bin ich denn? Die sollen doch herkommen. Bin ich krank oder der Rest
der Band gehbehindert? Sandra konnte über diese Art Sarkasmus noch nie
lachen, aber das war mir scheißegal.
Sie besuchte mich daraufhin drei Tage nicht; und am dritten Tag machte ich
mich dann doch auf den Weg in den Proberaum.
5
Ich spürte die Musik schon unter meinen Füßen, in meinem Körper, bevor ich
auf 50 Schritte heran war. (MEHR EmPFINDUNGEN EINES GEHÖRLOSEN)
Ich trat durch die dicke Tür, spürte die Schwingungen immer noch, aber außer
einem dumpfen Wummern kam nichts in meinem Hirn an. Pelle, Nicki, Fuchs
und Vierer schauten mich erfreut an, als sie mich sahen, wir setzten uns erstmal.
Sie redeten einige Minuten auf mich ein, ich glaube, dass sie neue Songs hatten
und mir zeigen wollten; ob ich nicht singen könne? Ich unterbrach sie. Ich kann
nicht singen, ich höre ja nicht. aber ich würde es mal zum Spaß probieren.
Nicki zählte vier ein, die anderen Jungs bolzten los, dass die Schwarte krachte
und ich zog mein Pensum durch wie eh und je. Erhofft hatte ich mir schon, dass
die Ohren bei meiner Lieblingsbeschäftigung einfach wieder aufplatzen würden
und ich ein glücklicherer und zufriedenerer Mensch werden würde. Das ganze
ohne Psychologische Beratung.
Ich spürte die gewaltige Energie der treibenden Beats und das Wummern des
Basses, es zuckte mir in den Händen und Beinen. Alles fing an zu leben, zu
blühen. Ich war überzeugt davon, dass ich meine Töne traf und laut und deutlich
artikulierte.
Doch das Gegenteil traf ein, beziehungsweise war der Fall. Nicht nur, dass mir
total schwindelig wurde, ich fast die Hand vor Augen nicht mehr erkannte,
kleine Punkte vor meinem schwarzen Augen, hinter den Lidern, die Hände
fingen an zu zittern und der Schweiß meine eben noch furztrockenen Stirn
benässte wie Sturzbäche nach Taunächten im April; die Jungs hörten auf zu
spielen.
Erstarben wie das Band in einem Kassettenrekorder dessen Batterien leise
‚Adieu‘ sagen. Schauten mit großen Augen auf mich, redeten untereinander, bis
Pelle mir aufschrieb, dass ich mich anhören würde wie ein Taubstummer.
Vor so viel Intelligenz zog ich meinen Hut und die Türe laut hinter mir zu.
6
Es vergingen weiter die Tage an denen nicht viel gesprochen wurde (und nicht
viel gehört). Ich denke, dass mein Telefon oft klingelte, doch immer wenn ich
ran ging und sagte, dass ich taub sei, könnte ich schwören, dass niemand mehr
am anderen Ende war. Also ließ ich Sandra einen Spruch auf Band sagen und sie
hörte dann den Anrufbeantworter ab.
Außerdem machte ich mit ihr aus, dass ich mich einfach ab und zu hinlegen darf
und sie mir nur zuhört, dass ich einfach rede, wie es halt aus dem Mund kommt,
dass sie zu mir halten würde - nicht wie meine Bandkollegen.
Sie nahm sich einige Zettel, schrieb immer wieder etwas auf, um zu antworten,
lächelte, wenn ich zu ihr aufschaute. Dann erzählte sie mir, dass Vierer schon
mehrere Male angerufen hätte, dass sie nichts mehr von mir hörten, und ich
dachte nur wieder, ihr Scheißer, ich höre euch auch nicht!
Und sie riet mir, mich endlich zurückzumelden. Ich hätte doch so viel in diese
Band investiert.
Regelmäßig ging ich zum Arzt und der empfahl mir immer noch einen
Psychiater, und ich fragte ihn, was ich da solle, er könne mir ja doch nichts
sagen. Da könne ich auch gleich mit der Luft in meinem Küchenschrank
sprechen – oder mit meiner Freundin. Ich grinste ihn an. Er grinste zurück.
Klopfte mir wohlwollend auf die Schulter. Schickte mich nach hause.
Ich kam mir so verarscht vor.
Die Gespräche zuhause empfand ich als sehr hilfreich. Es war zwar sehr schade,
dass ich nie hörte das sie lacht, wenn ich einen Witz machte, oder wenn sie
weinte…. Ich weiß es nicht, ich wollte es auch nicht sehen. Einfach nur reden.
Ich schloss die Augen, genoss die für mich eigentlich eher ungewöhnliche Stille
- denn früher lief immer Musik, oder, wenn Stille war, hatte ich eine Melodie im
Kopf, oder meine Klampfe in der Hand, der Kühlschrank fing alle Stunde an zu
Brummen oder es ist einfach die Spülmaschine in der Küche gelaufen.
Sandra war toll, sie hatte zwei offene Ohren für mein ab und an schwerkrankes
Künstlerherz, daß sich mit engstirnigen Musikern in einer kleinen Band
tummelte. Ich zählte auf, dass es noch mehr gab als das übliche 08/15
Geschrubbe. Ich übersetzte Texte, damit sie mal ne Ahnung von der Message
kriegten. Doch es half nicht unseren eigenen Stil zu finden. Wir zofften uns ganz
ordentlich, wobei sich herausstellte, dass es drei Bandleader in unserer Combo
gab, und keinen, der wirklich etwas tun wollte, wenigstens für die Attitüde.
7
Kurz bevor sich wieder ein buntes Stelldichein in meinem Kopf einstellte,
machte ich die Augen auf. War ich etwa eingeschlafen? Nein, ich hatte doch
gerade über Ideal und Attitüde philosophiert? Aber Sandra war nicht da, um mir
das zu bestätigen. Nur heiße Luft, und mir kam es vor, als könne ich noch die
schwerwiegenden Erkenntnisse, die sich Luft gemacht hatten, von der Decke auf
den Boden schweben sehen.
Ich schaute ein zweites Mal im Zimmer umher. Dann entdeckte ich, was ich
suchte. Das Telefonkabel verlief in Richtung Toilette, folgte ihm, wollte an der
Türe lauschen, schüttelte den Kopf ob solch großer Dummheit und öffnete die
Tür.
Sandra saß auf dem Rand der Badewanne und sprach mit irgendwem. Ein wenig
betroffen sah sie schon aus, als sie mich sah. Ich hätte ja am liebsten einen
Wutausbruch bekommen, doch ich nahm einfach das Telefon, legte den Hörer
auf, öffnete die Haustüre, und schickte Sandra zum Teufel.
Dann saß ich wieder. Auf dem Schreibtischstuhl. Hatte Wut im Bauch. Keiner
erinnerte mich an Anrufe. Niemand der vorbeikam. Ich wühlte mich durch
Erinnerungen. Schweißgebadet wachte ich nachts auf. Mein Hausarzt war
meiner schon überdrüssig, da ich fast täglich einen neuen Verband brauchte. Der
Alte war ja durchnässt worden.
Ging auch mal am Proberaum vorbei. Sah durchs Fenster einen neuen Sänger.
Ich ärgerte mich nicht. Ich wollte musikalische Horizonterweiterung, ohne
Umbesetzung ging das nicht. War ich eben die Umbesetzung. Ich kündigte den
Proberaum beim Vermieter. Fristlos.
In einem älteren Fanzine fand ich noch aktuelle Tourneedaten von Madball.
Geil! Da geh ich hin, egal ob ich was höre oder nicht.
Ich fuhr also in die nächstgrößere Stadt, hoffte vielleicht ein paar alte Gesichter
oder meine Ex-Bandkollegen zu treffen. Ich wollte einfach nur in ein paar
mitleidige Fressen schauen. Reden ging ja nicht. Ich fand es sowieso immer zu
laut auf Konzerten, um zu reden. Die hätten einfach nur 10 Dezibel leiser
machen müssen, das wäre schon ausreichend. Ich stürzte mich in den Pogomob,
schwitzte nach den sechs Bier, die ich mir reingezogen hatte, ganz ordentlich,
und klatschte auf ähnlich nasse Körper. Die Welt um mich verlangsamte sich
wieder. Nass war es. Als würde es regnen ohne Regentropfen. Ein weißer Kerl
stand vor mir, hoch oben, hatte einen Prügel in der Hand. Ich sah mich entsetzt
um, schloß die Augen, um nochmals hinzusehen, es änderte sich nichts. Ein
blonder Engel trat hinzu, schmiegte sich ganz fest um ihn. Ich öffnete die Augen
wieder, stellte fest, ich hatte den Sänger in den Armen, schlug ihm ins Gesicht.
8
Plopp! Alles schwarz. Eisenbahnrattern, ein Knipsen, ein kleines Stechen im
Arm. Nicht schon wieder Drogen.
Ich öffnete die Augen. Eine mollige, freundlich lächelnde Schwester prüfte die
Infusion, sagte, dass alles in Ordnung sei, der Arzt käme gleich. Ich fühlte mit
der linken Hand nach meinen Ohren. Keine Verbände. Ein Blick auf den
Körper. Alle Glieder dran. Der Arzt kam herein. Er sagte, ich sei von der Bühne
gestürzt. Laut Aussagen meiner Freunde hätte ich mich wohl in mein Kabel
verheddert und niemand hätte mich rechtzeitig aufgefangen. Ich hätte eine
leichte Amnesie durch die Gehirnerschütterung, aber ich könne mich bald
wieder erinnern.
Ich fragte ihn, sicherheitshalber, ob irgendwer außer mir zu Schaden gekommen
sei. Er lächelte mich auf dem Weg nach draußen vielsagend an, gab meiner
Freundin die Klinke in die Hand.